Das großartige kleine Konzerthaus von Blaibach

Rückseite des Konzerthauses Blaibach

Von hinten ist gut erkennbar, dass der Bau weder im Erdboden versinkt noch über die Kante des Dorfplatzes gekippt ist. Von vorne sieht es aber durchaus so aus. Als „gekippter Steinklotz“ wird das Konzerthaus daher häufig beschrieben. Foto: Kulturwald gGmbH

Die Opernhaus in Sydney, die Elbphilharmonie in Hamburg – es gibt einige Beispiele dafür, dass Konzerthäuser und beeindruckende Architektur gut zusammenpassen. In der Oberpfalz zeugt ein weitaus kleineres, aber genauso interessantes Bauwerk von dieser Erfolgs-Kombination: das Konzerthaus in Blaibach. Knapp 200 Plätze hat es und zählt doch in Hinblick auf Programmgestaltung und Architektur zu den ganz großen Namen im Kulturbereich. Klar, dass ich da unbedingt mal hin will. Wenn schon in der Nähe ( nun ja, in etwas mehr als hundert Kilometern Entfernung) ein Bau steht, über den sogar Zeitungen wie die Die Welt berichtet haben. Als „avantgardistischer Kubus“ wurde das Konzerthaus dort beschrieben.

Wer ein Ticket kaufen will, muss früh dran sein

Mit Spannung geht es also nach Blaibach. Aber erst nach langer Wartezeit. Denn die Konzerte sind immer schnell ausverkauft. Ein gutes halbes Jahr im Voraus sollte planen, wer sich ein Ticket sichern möchte. Wir kommen in Blaibach an, als es schon dunkel wird. Außerdem regnet es. Trotzdem muss ich das Gebäude noch von allen Seiten in Augenschein nehmen, bevor es ins Trockene geht. Ein Betonklotz mit Granitfassade mitten in der dörflich wirkenden Ortsmitte. Aber nicht einfach hingeklotzt: Der rechteckige Bau sieht aus, als wäre er nach hinten umgekippt. Als wäre ein großer Teil des Konzerthauses nach hinten unten verschwunden, versunken im Dorfplatz von Blaibach.

Ein bisschen wie in einer Höhle

Rauer Beton, steil ansteigende Sitzreihen und puristische Drahtstühle: Viele Details der Innengestaltung sind der Akustik geschuldet. Das Konzerthaus ist eine moderne Höhle für höchste Konzentration auf die Musik. Foto: Hendrik Schwartz

Der Eingang ist daher auch nicht ebenerdig, auch geht man keine Stufen hinauf, wie es sonst häufig bei wichtigen, imposanten Bauten der Fall ist. Sondern es geht zahlreiche Stufen hinunter. „Wie in einen Schutzbunker“, schimpfen Kritiker der modernen Architektur. Für mich fühlt es sich eher an, als würde man ins Erdinnere verschwinden. Höhlenartig geht es auch drinnen weiter: Durch schmale Gänge, die ein paar Mal abknicken, geht es fensterlos weiter zu Garderobe und Toiletten. Auch hier steht Design im Vordergrund – alleine das Detail, wie die Toilettentüren geschlossen werden, ist einen genauen Blick wert.

Zielstrebig geht es zum Konzertsaal, der sich weit und steil öffnet. Auch hier sind die Unterschiede zu anderen Kultureinrichtungen spürbar: Statt von oben kommt man hier von unten in den Konzertsaal. Man spaziert über die Fläche, wo später die Musiker stehen, also quasi über die Bühne, und steigt steil hoch bis zu seinem Platz. Die Trennung zwischen Bühne und Publikum wird so zu Teil aufgehoben – das wirkt sofort, als wäre man ungeWOHNlich nah dran am Künstler. Überhaupt finde ich es äußerst angenehm, so abgeschnitten von der Außenwelt, gefühlt im Erdinnern und ohne Ablenkung von außen mich ganz auf das Programm konzentrieren zu können. Abtauchen in eine andere Welt, nicht nur dank der Musik, sondern auch dank der Architektur.

Viele Architekturpreise gehen nach Blaibach

Für mich ist der Entwurf von Architekt Peter Haimerl so außergewöhnlich wie stimmig. Und das sehen auch viele andere so, sonst hätte das Konzerthaus Blaibach nicht schon zahlreiche Architekturpreise und Auszeichnung gewonnen, wie beispielsweise den Artouro (Bayerischer Tourismus Architekturpreis). Der Plan, das Ortszentrum von Blaibach dadurch zu revitalisieren, ist aufgegangen. Natürlich gibt es immer noch Diskussionen um Baukosten und Unterhalt. Oder darüber, ob die Akustik in dem Saal wirklich so gut ist, wie es die detaillierte Planung der Ausrichtung und Oberflächen der Wände verspricht. Für mich zählt vor allem, dass ich mich in der besonderen Atmosphäre des Konzerthauses vollkommen wohlfühle. Die faszinierende Architektur macht das Kulturerlebnis nur noch erinnerungswürdiger. Ich jedenfalls werde mir bestimmt bald mal wieder ein Ticket für ein Konzert in Blaibach gönnen (falls ich früh genug dran bin). Und das war ja wohl auch das Ziel des Projekts: Leute anlocken und begeistern. Bei mir hat es geklappt.

Das ganze Orchester im Blick: Durch die steile Anordnung der Sitzreihen hat man von jedem Platz aus einen perfekten Blick auf die Musiker. Foto: Hendrik Schwartz
So schön kann Beton sein: Licht und Schatten, Fugen und Strukturen machen die Innenwand fast schon zum Kunstwerk. Foto: Hendrik Schwartz

Hier muss man hinter die (Beton-)Fassade schauen

Betonfassade des Mehrfamilienhauses Kapuzinerstraße 37

Warum diese Fassade keine Fenster hat? Weil dahinter das Treppenhaus des Mehrfamilienhauses liegt, das eine Barriere zwischen Verkehrslärm und Wohnräumen bildet. Foto: Hendrik Schwartz

Viel ist über das Haus in der Kapuzinerstraße 37 in Passau schon geschrieben worden. Denn es hat Aufsehen erregt mit seiner fensterlosen Betonfassade auf der Straßenseite. Doch wer sich alleine durch dieses ungewöhnliche, vielleicht abweisende Aussehen schon eine Meinung bildet, hat im wahrsten Sinne des Wortes noch nicht alle Seiten betrachtet. Bei den Architektouren 2016 hat Architekt Bernd Vordermeier seine Planungen vorgestellt und erklärt – und wieder einmal meinen Verdacht bestätigt, dass manche Projekte umso kreativer ausfallen, je mehr Vorgaben und Beschränkungen es gibt.

Bei dem Neubau in der Kapuzinerstraße stellte vor allem der Hochwasserschutz eine Herausforderung dar. An Stelle des jetzigen Baus stand ein hochwassergeschädigtes Haus, das eigentlich saniert werden sollte. Allerdings stand bald fest, dass ein Ersatzbau die bessere Lösung ist. Der sollte drei Wohneinheiten umfassen, günstig sein und schnell errichtet sein – schließlich muss sich ein Mietshaus auch rechnen.

Erste Herausforderung: Hochwassergefahr

Garagenstellplätze Mehrfamilienhaus Kapuzinerstraße 37

An der Gebäudeseite befindet sich eine offene Zufahrt zu den Autostellplätzen im Erdgeschoss. Foto: Hendrik Schwartz

Ein komplett neues Haus ermöglichte komplett neue Lösungen für die bestehenden Probleme in dieser Lage. Der Hochwassergefahr begegnete Bernd Vordermeier, indem er das Erdgeschoss als Garage plante: Autos parken in einem offenen Raum unterhalb der Wohnebenen. Der Boden besteht aus Granitbruch – der wird schlimmstenfalls weggeschwemmt bei Hochwasser, mehr kann nicht passieren.

Zweite Herausforderung: Verkehrslärm

Die fensterlose Fassade hin zur Straße löst ein Problem, das für die Bewohner der Innstadt alltäglich ist: Verkehrslärm auf der stark befahrenen Straße. Es ist tatsächlich nicht ganz falsch, wenn man die fensterlose Fassade als „abweisend“ wahrnimmt –  sie hält einen großen Teil des Verkehrslärms ab. Ein Fenster raus auf die Straße, welcher Bewohner würde das schön finden? Wer würde das Fenster überhaupt öffnen wollen? Niemand vermutlich. Und so liegt längs der Straße hinter der fensterlosen Fassade das Treppenhaus und bildet in Betonbauweise und zum Teil nach oben hin offen (für den vorgeschriebenen Rauchabzug im Brandfall) eine Barriere zwischen Straße und Wohnungen.

Massivholzwände des Mehrfamilienhauses

Die Außenwände und tragenden Wände der Wohnräume sind aus Massivholz. Dies sorgt für eine angenehme Atmosphäre und ein gutes Raumklima. Foto: Hendrik Schwartz

Die wiederum bieten beste Aussichten in alle anderen Richtungen: Vom obersten Stockwerk aus schaut man aus einer großen Festverglasung direkt auf die Veste Oberhaus. Überhaupt: Es gibt im ganzen Haus nur zwei Fensterformate: „normale“ Flügelfenster und große Festverglasungen. Diese machen die Wohnungen hell und freundlich, ebenso trägt zu dieser Atmosphäre das viele Holz bei: Alle tragenden Wände sind aus Massivholz und als solche auch in den Räumen sichtbar.

Nicht beheizte Räume in Betonbauweise, der Rest in Massivholz mit einer Aluminiumfassade, und alles im KfW-70-Standard: Alle Herausforderungen wurden gemeistert, inklusive Budget und Bauzeit. Mit vielen durchdachten Planungen, ganz ohne Schnickschnack und mit oft verblüffend einfachen Lösungen für komplizierte Probleme ist das kompromisslose Low-Budget-Haus in der Kapuzinerstraße ein wahres Kunstwerk. Man muss nur genauer hinschauen – auch mal hinter die Betonfassade.

 

Last-Minute-Tipp Architektouren: Pfarrheim Herz Jesu in Ingolstadt

Neubau Pfarrheim Herz Jesu in Ingolstadt Innenraum

Beton ist der Baustoff, der den Charakter des Pfarrheims Herz Jesu bestimmt. Dazu wird Eichenholz kombiniert. Foto: Florian Holzherr

Während ich mir bei den Architektouren an diesem Wochenende ausschließlich Wohnhäuser anschauen werden – andere Projekte schaffe ich zeitlich nicht –, kann ich euch nur empfehlen, auch öffentliche Bauten und kommunale Projekte zu besichtigen, wenn ihr Zeit habt. Da gibt es wirklich innovative Architektur zu sehen. Für alle, die in und um Ingolstadt wohnen, habe ich noch einen Last-Minute-Tipp: Am Samstag, 25. Juni 2016, kann um 11 Uhr das Pfarrheim Herz Jesu in Ingolstadt anlässlich der Architektouren besichtigt werden.

Der Neubau ersetzt den in der Nachkriegszeit als Notkirche gebauten und später als Pfarrheim genutzten Vorgängerbau. Der klare, minimalistische Baukörper sorgt für Kontraste: zur denkmalgeschützten Betonkirche mit überdachtem Umgang von 1963 genauso wie zu den Einfamilienhäusern in der Nachbarschaft. Holz, Glas und Beton prägen den Bau.

Außenansicht Pfarrheim Herz Jesu in Ingolstadt

Die städtebauliche Setzung des Neubaus entlang der Straße signalisiert ein offenes, einladendes Haus. Foto: Florian Holzherr

Die Planung stammt von den Münchner Architekten bodensteiner ∙ fest, Annette Fest und Christian Bodensteiner. Ein offenes, einladendes Haus wollten sie bauen. Das zeigt sich sowohl daran, dass der Neubau an der Straße liegt, als auch an der Öffnung des Saals zum öffentlichen Raum. Mobile Trennwände machen die Fläche gut nutzbar.

Gestaltungsprinzip sind die an den Außenecken – zum Teil übereck – angeordneten Öffnungen, die die Fassade gliedern. Im kleinen Saal im Obergeschoss wiederholt sich die Übereckverglasung vertikal in Form einer Überkopfverglasung.

Garderobenhaken im Pfarrheim Herz Jesu in Ingolstadt

Anstelle einer Garderobe wurden eigens für das Projekt konzipierte Garderobenklapphaken aus Schwarzstahl flächenbündig in die Betonwand des Foyers eingelassen. Foto: bodensteiner · fest architekten stadtplaner bda

Wie bei der denkmalgeschützten Kirche ist Beton der Baustoff, der den Charakter des Gebäudes bestimmt. Minimalistisch werden Sichtbetonwände und -decken mit Eichenparkett und dem silbernem Eichenholz der Türen, Verkleidungen und Einbauten kombiniert. Verbunden mit einem zurückhaltenden, fein abgestimmten Farbkonzept verleiht dies den Räumen eine ruhige und warme Ausstrahlung.

Wer das Pfarrheim Herz Jesu besichtigen will: Die Adresse lautet Zeppelinstraße 88 in 85051 Ingolstadt. Termin ist Samstag, 25. Juni 2016, um 11Uhr. Weitere Informationen gibt es auf der Projektseite der Architektouren.

Inspirationen und ein kleines Gruselkabinett

Häuser des Jahres 2014

Das Buch „Häuser des Jahres 2014“ ist im Callwey-Verlag erschienen.

Wenn der Callwey-Verlag zusammen mit dem Deutschen Architektur Museum und mit der Unterstützung des Informationszentrums Beton die „Häuser des Jahres – die besten Einfamilienhäuser“ auszeichnet, dann ist das dazugehörige Buch (ISBN 978-3-7667-2097-9) immer einen genaueren Blick wert. Denn die Projekte sind oft richtig spannend, manchmal zwar etwas zu ausgefallen für meinen Geschmack, aber immer mit wunderschönen Fotos und detaillierten Texten beschrieben, dazu gibt es Grundrisse, Lagepläne und viele Daten zum Projekt. Ein paar Inspirationen kann man sich da immer holen – und manchmal nur den Kopf schütteln. So geschehen diesmal bei einem 920 Quadratmeter großen Haus, das in Stuttgart steht: Die Villa verfügt über einen sehr dunkel gestalteten Jagdraum, drin stehen ein ausgestopfter Bär, ein ausgestopfter Jaguar, Zebrafell am Boden, Elch- und andere Geweihe an der Wand. Das hat für mich was von einem Gruselkabinett. Bei so vielen toten Tieren hilft auch die schönste Architektur nicht mehr.

Was auffällt bei den 50 ausgewählten Projekten: Einige sind monströs groß (1150 Quadratmeter Wohnfläche für zwei Personen bei einem Haus in St. Gallen in der Schweiz), viele sind Wochenend- und Ferienhäuser (und dadurch automatisch nicht die typischen Einfamilienbauten), und viele Gebäude haben entweder eine scheunenartige Anmutung oder – im Gegenteil – sind aus ganz viel Beton. Nicht allerdings das Haus, das den ersten Preis gewonnen hat: Das von Thomas Kröger entworfene Haus, das in Gerswalde in Brandenburg steht, hat eine Fassade aus Wellblech.

Mein Favorit ist der Preisträger nicht, mir gefällt stattdessen das in dem Buch vorgestellte Passivhaus von Architekt Manfred Lux, das mit 140 Quadratmetern für vier Bewohner eine normale Größe hat, aber eine ungewöhnliche Form: Wie ein Kristall an vielen Ecken abgeflacht, wurde bei diesem Gebäude das Verhältnis von Oberfläche zu Volumen optimiert, um Energie zu sparen.

Das ausgezeichnete Projekt in der Passauer Innstadt.

Am Kirchplatz beziehungsweise in der Lederergasse ist in der Passauer Innstadt das ausgezeichnete Projekt der Architekten Hiendl Schineis zu finden. 50 Jahre lang war der Altbau nicht mehr saniert worden, jetzt finden sich drinnen raffinierte Wohnungen. Foto: Karin Polz

Ein zweites interessantes Projekt steht im österreichischen Dornbirn: Ein kleines Haus aus dem Jahr 1961 wurde von Architekt Jochen Specht erweitert, indem um den alten, auf den Rohbau zurückgebauten Kern herum eine neue Hülle aus einer Holzkonstruktion gebaut wurde. Mit vielen Fenstern in den neuen Außenwänden sieht das Haus Hohlen jetzt modern aus. Seine Vergangenheit verleugnet es aber nicht: Frühere Fensteröffnungen dienen jetzt zum Beispiel als Durchgang im Hausinnern.

Auch zwei Projekte aus Niederbayern kommen in dem Buch vor: Die Passauer Architekten Albert Köberl und Alfons Döringer nahmen erfolgreich mit ihrem Projekt „Ein Langhaus im Dorf“ am Wettbewerb teil. Das schmale, lange Häuschen in Fürstenzell mit den rostbraunen Stahlplatten als Fassade, Baujahr 2011, hat schön öfter für Aufsehen gesorgt. Ein anderes Projekt kennt jeder Passauer zumindest von außen: Denn das Projekt „Im Denkmal leben“ von Regina Schineis und Stefan Hiendl steht in der Innstadt direkt neben der Kirche St. Getraud.