Ein Spaziergang durch Hamburg Hafencity

Seit ein paar Tagen bin ich wieder zurück vom Sommerurlaub im hohen Norden. Die Architektur ist dort schon sehr verschieden von dem, was wir in Bayern kennen. Das hat mich sofort wieder an meine Reise nach Hamburg zur Internationalen Bauausstellung erinnert. Damals haben wir nicht nur neuartige Baukonzepte wie Selbstbau- und Systembauhäuser oder die innovative Energieversorgung mit Algen angeschaut, sondern sind auch sehr lange durch die Hafencity mit ihren imposanten Gebäuden gestreift. Diese Fotos habe ich jetzt wieder rausgesucht – hier sind sie! Typisch norddeutsch sind die Bauten als moderne Hochhäuser vielleicht nicht, architektonisch spannend aber allemal.

Der intelligente Balkon

Das Haus namens Smart ist Grün in Hamburg

Wenn die Sonne auf den Balkon scheint, wird hier nicht nur sonnengebadet, sondern auch Energie erzeugt. Foto: Hendrik Schwartz

Balkone von Mehrfamilienhäusern können oft ganz schön hässlich sein. Eine recht elegante und dabei noch sehr sinnvolle Lösung haben Zillerplus Architekten und Stadtplaner aus München für ihr Haus „Smart ist grün“ gefunden: Die Balkonbrüstungen des fünfstöckigen Mehrfamilienhauses bestehen aus Solarmodulen.

Doch diese Art der grünen Energieerzeugung ist nur eine Besonderheit des Hauses, das im Rahmen der Internationalen Bauausstellung (IBA) 2013 in Hamburg umgesetzt wurde. Neben Photovoltaik und Solarthermie fällt vor allem eine ganz besondere Art der Kurzzeit-Wärmespeicherung auf: PCM-Vorhänge in den Räumen nehmen überschüssige thermische Energie auf und geben sie bei Bedarf wieder ab. „PCM steht dabei für Phase-Change-Materialien, aggregatswechselnde Materialien, die Wärme latent speichern und wieder abgeben können. In den Wintermonaten nehmen die Vorhänge die Wärme der flach stehenden Sonne auf und geben sie während der Nacht an die Räume ab“, heißt es in der Projektbeschreibung von Zillerplus Architekten und Stadtplaner.

Komplett aus Holz, komplett CO2-neutral

Der Woodcube, ein Projekt der IBA in Hamburg.

Der fünfgeschossige Woodcube ist bis auf einen Betonkern komplett aus Holz gefertigt. Foto: Hendrik Schwartz

Ein fünfgeschossiges Mehrfamilienhaus aus Holz – ja, das funktioniert! Seit einiger Zeit überbieten sich die Planer und Baufirmen darin, möglichst groß und hoch in Holzbauweise zu bauen. Bei der Internationalen Bauausstellung in Hamburg (IBA) war so ein Haus zu sehen – und steht natürlich im Stadtteil Wilhelmburg-Mitte auch weiterhin, nur dass die IBA mittlerweile beendet ist.

900 Quadratmeter Wohnfläche wurden in nur fünf Wochen Bauzeit errichtet – das darf schon mal als Pluspunkt für das Haus namens Woodcube zählen. Dazu kommen nachhaltige Aspekte: Holz als Baumaterial ohne fremdstoffliche Dämmung oder Plastikfolien, ohne Holzschutzmittel oder Bauchemie, Buchenholzdübel statt Leim, bei der Erstellung und im Betrieb CO2-neutral, komplett biologisch recycelbar – mit diesen Eckdaten erweckt der Woodcube Aufmerksamkeit.

Nahaufnahme Woodcube bei der IBA in Hamburg

Sogar die Bodenplatten der Balkone bestehen aus Holz. Foto: Hendrik Schwartz

Ein Betonkern für Treppe und Aufzug ist der einzige Teil des Hauses, der nicht aus Holz besteht. Ansonsten hat das Haus zum Beispiel massive Decken aus unverleimtem, reinem Vollholz. Die Dämmung – und Statik – übernehmen 32 Zentimeter (oder 40 Zentimeter – da sind sich die Beschreibungen auf der Internetseite der IBA nicht einig) dicke Massivholzwände. Die Fassade altert auf natürliche Weise, weil sie unbehandelt ist. Selbst die Balkonplatten sind aus Holz. Und auch drinnen ist das Holz weitestgehend sichtbar – in Decken, Wänden und Böden. Wandaufbau, Nachhaltigkeitskonzept und vieles mehr hat der Bauherr, die Woodcube Hamburg GmbH, auf seinen Internetseiten zusammengetragen.

Unbehandelte Holzfassade des Woodcube bei der IBA in Hamburg

Die Fassade besteht aus unbehandeltem Holz, und auch sonst kommt der Woodcube ohne Bauchemie aus. Foto: Hendrik Schwartz

Die insgesamt acht Eigentumswohnungen sind zwischen 79 und 185 Quadratmeter groß. Sparen können die Bewohner bei den Energiekosten: Der Energiestandard von Woodcube sei mit einem Passivhaus vergleichbar, vermerkt die IBA in ihren Informationen. Tatsächlich sind die Werte niedrig: Die Verbrauchswerte lagen im Jahr 2013 bei durchschnittlich 10kw/h.

Ganz schön grün: das Algenhaus

Das IBA-Haus BIQ mit Bioreaktorfassade.

BIQ heißt das grüne Passivhaus, das auf zwei Seiten mit einer Algen produzierenden Fassade überrascht. Foto: Hendrik Schwartz

Wie versorge ich mein Haus günstig, nachhaltig und zuverlässig mit Energie? Das ist heute – so hoffe ich doch – eine der wichtigsten Fragen, wenn es ums Bauen geht. Leider sind nur wenige Häuslebauer dabei wirklich kreativ. Doch wenn sich Wissenschaftler und Querdenker nur ausgiebig genug mit dem Thema beschäftigen, kann etwas so UngeWOHNliches dabei herauskommen wie das Algenhaus namens BIQ in Hamburg-Wilhelmsburg.

Wer nicht ganz so genau hinschaut, könnte das fünfstöckige Gebäude einfach nur für ein optisch nicht ganz so gelungenes Mehrfamilienhaus in einer gewöhnungsbedürftigen Farbe halten. Doch weil es eine Sprechblase mit dem Schriftzug „Photosynthese?“ auf der Fassade trägt, riskiert man vielleicht doch einen zweiten Blick – und entdeckt geschosshohe Elemente an den Sonnenseiten. In diesen Kollektoren werden Algen gezüchtet. In Hohlräumen zirkuliert Wasser, das die Algen mit Kohlendioxid und Nährstoffen versorgt. Das Sonnenlicht tut das Übrige, und so lösen sich regelmäßig Algenfetzen, die nach oben steigen – erntereif.

In den Glasscheiben an der Fassade wachsen stetig Algen.

In den Kollektoren, die mit Nährlösung gefüllt sind, steigt immer wieder erntereife Algenmasse auf. Foto: Hendrik Schwartz

Im Technikraum des Gebäudes wird die Algenmasse geerntet und extern in Biogas umgewandelt. Selbst erzeugte Energie für das Passivhaus, das Ingenieure, Architekten, Wissenschaftler und Künstler anlässlich der Internationalen Bauaustellung (IBA) in Hamburg gemeinsam entwickelt haben. Weltweit soll das BIQ – die Abkürzung steht für „Bio-Intelligenzquotient“ – das erste Experiment dieser Art sein. „Mit dem innovativen Projekt entsteht in Hamburg-Wilhelmsburg das erste Haus weltweit, das sich über eine Gebäudefassade aus Photobiokollektoren selbst mit Energie versorgt“, heißt es auf der Internetseite www.biq-wilhelmsburg.de.

Rein rechnerisch könnte das Haus mit 15 Mietwohnungen wenigstens eine Mietpartei durch die sogenannte Bioreaktorfassade versorgen – auch das wird auf der Internetseite www.biq-wilhelmsburg.de vorgerechnet: „BIQ verfügt über 200 Quadratmeter Algenfassade. Bei einem Ertrag von 15 Gramm Trockenmasse pro Quadratmeter und Tag kann bei der Umwandlung von Biomasse in Biogas ein Nettoenergiegewinn von zirka 4500 Kilowattstunden pro Jahr erzielt werden. Zum Vergleich: Eine vierköpfige Familie verbraucht im Jahr zirka 4000 Kilowattstunden. Die Algenfassade könnte so den gesamten Haushalt der Familie mit Biostrom versorgen!“