Das kannst du doch nicht machen – Teil 7: offener Wohnraum, offene Treppe

Blick vom Wohnflur im oberen Geschoss des Hauses Polz auf die offene Treppe.
Kein schmaler Flur, sondern eine großzügige Fläche, die flexibel nutzbar ist, erschließt die Räume im Obergeschoss. Die Treppe verbindet die beiden Etagen: Es gibt keine Türen, die man zumachen könnte, um die Geräuschkulisse aus dem Wohnraum auszusperren. Foto: Karin Polz

Meine Eltern leben in einem Zweifamilienhaus aus den 1970er Jahren. Ich bin also aufgewachsen mit den typischen Elementen dieses Baustils: einem langen, dunklen Flur, von dem alle Zimmer abgehen. Und einem abgetrennten Treppenhaus, das die zwei abgeschlossenen Wohnungen verband und vom Keller bis in den ersten Stock reichte. Dazu kam, dass meine Familie aus Platzgründen die drei insgesamt Kinderzimmer auf Erdgeschoss und Obergeschoss verteilt hatte. Wenn morgens in meinem Kinderzimmer im Erdgeschoss der Wecker klingelte, musste ich daher die Erdgeschoss-Wohnung verlassen, mich im kalten, unwohnlichen Treppenhaus die Marmorstufen hochschleppen, damit ich in der Küche im Obergeschoss frühstücken konnte. Noch heute finde ich es deshalb ungemütlich, wenn die Schlafräume durch ein abgeschlossenes und womöglich unbeheiztes Treppenhaus von den Wohnräumen getrennt sind. Ich wollte es anders haben – auch wenn viele gewarnt haben: „Das kannst du doch nicht machen!“

Warum ist bei uns alles offen?

Für mein eigenes Haus habe ich mir immer gewünscht, alle Flächen wohnlich und warm zu gestalten. Jeder Quadrat muss Aufenthaltsqualität bieten – reine Nutzflächen brauche ich nicht. Von Anfang an wollte ich auf Keller, abgeschlossene Treppenhäuser und Flure verzichten. Mit Erfolg: Die Treppe zwischen Erdgeschoss und Obergeschoss beginnt im offenen Wohnraum – dieser Eindruck wird durch ein Podest noch verstärkt. Die Treppe endet dann dort, wo ein Flur zu erwarten wäre – im Haus Polz handelt es sich aber dabei um eine großzügige Fläche, die auch als Spielfläche oder Sitzfläche nutzbar ist. Übrigens wird sogar die Treppe oft als Wohnfläche genutzt: Wenn wir Besuch mit kleinen Kindern haben, setzen sich diese gerne auf das Podest oder die erste Treppenstufe statt auf einen Sessel. Ich vermute, es hat auch damit zu tun, das man von dort einen großartigen Blick über den ganzen Wohnraum und hinaus in den Hanggarten hat.

Welche Auswirkungen haben offene Wohnräume und Treppenhäuser auf die Baukosten?

Pauschal kann man das vermutlich nicht sagen – da ich nie eine andere Lösung in Betracht gezogen habe, gibt es auch keine Kostenvoranschläge für alternative Planungen. Zwei Punkte halte ich aber für überlegenswert: das Thema Heizung und Dämmung sowie den Flächenverbrauch.

Eine offene Treppe vom Erdgeschoss in den unbeheizten Keller ist zum Beispiel ohne Dämmung problematisch. Wie sich eine Dämmung auf ein ungeheiztes Treppenhaus auswirkt, erklärt gut verständlich der Architekt Reinhard Maria Schneeweiß auf seinem Blog. Ich war in der komfortablen Situation, mich mit dieser Frage nicht beschäftigen zu müssen – schließlich umfasst mein Haus nur geheizte Bereiche. Aber wer anders plant, sollte sich gut beraten lassen.

Je nachdem, ob die Treppe gerade, gewendet, mit Podest oder ganz besonders gestaltet ist, benötigt die Treppe viel oder wenig Platz. Der Platzbedarf von Spindeltreppen mitten im Wohnraum ist fast schon vernachlässigbar, während geradläufige Treppen mehr Raum einnehmen. Wer auf Baukosten und Quadratmeterpreise achten muss, sollte hier verschiedene Varianten vergleichen.

Was man sich durch einen offenen Wohnraum und ein offenes Treppenhaus natürlich spart, sind die Kosten für Innenwände und Türen. Dieser finanzielle Vorteil schwindet jedoch, wenn bei offener Bauweise manche Bauteile aufwendiger gefertigt werden müssen – zum Beispiel, weil bei Treppen die Unterseiten zu sehen sind und ansprechend gestaltet werden müssen.

Blick vom Podest in der Mitte der Treppe nach oben und unten. Hier wird deutlich, dass die Verbindung zwischen Erdgeschoss und Obergeschoss zwar offen, aber nicht komplett einsehbar gestaltet wurde.
Nur wenn man auf dem Podest der Treppe steht, hat man Wohnraum und Obergeschoss gleichzeitig im Blick. Von oben nach ganz unten oder andersherum gibt es keine Blickachse. Foto: Michael Heinrich

Es gibt natürlich auch viele verschiedene Arten, offene Bauweisen umzusetzen, und jede hat ihre Kostenpunkte und Einsparungen. Ob man – wie ich – die offene Treppe nur dadurch definiert, dass sie mitten im Wohnraum beginnt und die Etagen nicht durch Türen trennt, oder ob man darunter eine sich im Raum aufschwingende, quasi skulpturale Treppe versteht, wirkt sich unterschiedlich stark auf die Kosten aus.

Und wie sieht es aus architektonischer Sicht aus?

Wer offene Wohnräume zulässt, ermöglicht dem Architekten natürlich eine andere Herangehensweise – man denke nur mal an die vielfältigen Blickachsen, die möglich sind, wenn es in einem Haus nur wenige Wände gibt. Manche Gestaltungsideen sind nur umsetzbar, wenn möglichst offen geplant wird – beispielsweise Galerien und Wohnräume, die über zwei Geschosse reichen. Viel Licht, ein weitläufiges Wohngefühl und eine großzügige Atmosphäre zählen zu den Vorteilen einer offenen Bauweise.

Welche Alternativen gibt es?

Wenn Räume fließend ineinander übergehen sollen, man sich aber nicht für alle Zeiten auf eine offene Raumgestaltung festlegen möchte, sind Schiebetüren, die in der Wand verschwinden, eine großartige Lösung. Ich habe zwischen Wohnraum und Arbeitszimmer eine Schiebetür, die fast nie zu sehen ist. Ich persönlich liebe nämlich den Blick vom Wohnraum in das Arbeitszimmer sehr. Allerdings gibt es auch Situationen, in denen eine Trennung vorteilhaft ist: Ist Besuch mit Kleinkindern angesagt, verschwinden zerbrechliche Sachen und die Bürotechnik mit ihren verführerischen Knöpfen und Schaltern sicher hinter der Schiebetür im Arbeitszimmer.

Entscheidungshilfen

Apropos Kinder: Ein entscheidende Frage bei der offenen Gestaltung von Wohnräumen und Treppen lautet: Wer wird das Haus bewohnen? Gibt es kleine Kinder, die vielleicht nur dann gut schlafen, wenn die Geräusche vom Fernseher im Wohnzimmer nicht ungehindert bis zur Kinderzimmertür dringen? Wäre es nicht gut, den zweifelhaften Musikgeschmack der Teenagersöhne und -töchter ausblenden zu können, indem man einfach eine Tür zwischen Wohnetage und Schlafetage schließt? Ist der Arbeitsplatz auf der offenen Galerie immer noch so einladend, wenn in den Ferien die Kinder daheim sind und von der Arbeit ablenken? Wie viel Ruhe jeder braucht, ist sehr individuell und kann auch in verschiedenen Lebensabschnitten sehr unterschiedlich sein.

Hier sollte jeder schon in der Planungsphase ehrlich zu sich selbst sein und seine Wünsche definieren. Ich wollte zum Beispiel einen Bereich keinesfalls mit in den offenen Wohnraum integrieren: die Küche. Obwohl man das oft sieht und viele eine offene Küche gemütlich finden, fand ich diese Gedanken unerträglich: Essensgerüche, die sich frei entfalten, und der unvermeidbare Anblick dreckigen Geschirrs und vollgestellter Arbeitsflächen. Dafür konnte ich mir immer gut vorstellen, den Fernseher aus dem Wohnzimmer zu verbannen und somit den offenen Wohnraum frei von TV-Geräuschen zu halten. Aber darüber habe ich ja bereits in Teil 4 geschrieben.

Hier geht es zu den weiteren Teilen der Serie „Das kannst du doch nicht machen!“:

Teil 1: Bauen ohne Keller

Teil 2: Bauen am Nordhang

Teil 3: Bauen ohne Rollläden

Teil 4: Bauen ohne Wohnzimmer

Teil 5: Ein Holzhaus bauen

Teil 6: Ohne Zaun wohnen


Das kannst du doch nicht machen! – Teil 4: Bauen ohne Wohnzimmer

Wohnzimmer Haus Polz Blick nach Norden

Esstisch, Sessel und Hocker, aber keine Couch: Im offenen Wohnraum gibt es keinen „richtigen“ Wohnzimmer-Bereich. Foto: Hendrik Schwartz

Wenn Leute mich das erste Mal besuchen, passiert manchmal Folgendes: Sie kommen in den offenen Wohnraum, bemerken zuerst die großen Fenster und die Ausblicke. Und schauen sich dann suchend um: „Hast du gar keinen Fernseher?“ oder „Hast du keine Couch?“, fragen sie, manchmal auch „Habt ihr gar kein richtiges Wohnzimmer?“

Die Antwort auf die letzte Frage wäre eigentlich eine Gegenfrage: Was ist denn ein richtiges Wohnzimmer? Wann ist ein Zimmer so geplant, ausgestattet, eingerichtet, dass es als Wohnzimmer betrachtet werden kann? Womöglich hat man die seit Jahrzehnten gängigen Merkmale vor Augen: größter Raum im Haus, Couch, Couchtisch, Fernseher, Schrank- oder Regalwand. Weil man hier aber auch kreativer vorgehen könnte, ist das Wohnzimmer in meiner „Das-kannst-du-doch-nicht-machen“-Serie gelandet, obwohl es kein klassisches Bauthema ist. Auch beim Wohnen und Einrichten orientieren sich viele Bauherren an den aktuellen Trends, ohne sie zu hinterfragen. Besser wäre es jedoch, nicht das umzusetzen, was alle für richtig oder angesagt halten, sondern das, was die eigenen Bedürfnisse am besten befriedigt.

Warum kein Wohnzimmer?

Blick ins Fernsehzimmer im Haus Polz

Der Fernseher hat ein eigenes Zimmer. Fernsehen wird so eine Tätigkeit, für die man sich bewusst entscheiden muss. Foto: Karin Polz

Mein Wunsch war ein großer Wohnraum, hell und luftig. Also möglichst wenig Wände im Erdgeschoss, kein abgeschlossenes Wohnzimmer.Obwohl der Raum groß genug wäre, um einen großen Essplatz und eine Couchlandschaft sowie Schränke unterzubringen, ist die Gestaltung doch sehr „minimalistisch“ geblieben.

Das hat sich nach und nach ergeben, da im Haus genug Platz war, um die Raumfunktionen anders aufzuteilen: Das Fernsehen wurde beispielsweise ausgelagert ins Obergeschoss. Hauptgrund war ursprünglich, dass ich den alten Fernseher so hässlich und störend im Wohnraum fand. Mittlerweile könnte ich es mir aber aus diversen Gründen nicht mehr anders vorstellen. Und was die Wohnzimmermöbel angeht, so ist nach einigen Experimenten nur ein Sessel geblieben. Ein Sofa hat immer deplatziert gewirkt vor den großen Fensterflächen. Wenn Gäste kommen, sitzen diese am Esstisch, auf dem Sessel, auf dem Hocker oder ganz oft auch auf den Fensterbrettern. Demnächst werden noch ein paar Sitzgelegenheiten dazukommen – ein weiterer Sessel und ein flaches Regal in der Wandnische, dessen Oberfläche mit Polstern zur Bank gestaltet wird.

Ist es billiger, ohne Wohnzimmer zu bauen?

Kann man so eigentlich nicht fragen. Man lässt ja nicht einfach einen Raum weg und baut dafür ein kleineres Haus. Vielmehr wirkt sich die Entscheidung auf zwei andere Punkte aus: die Raumaufteilung und die flexible Nutzung der Räume. Beides ist bei der Grundrissplanung zu beachten und hat in diesem Zusammenhang dann Auswirkungen auf die Baukosten. Grundsätzlich gilt: Wer sparen will, verzichtet auf zu viele kleine Räume und zu viele Verkehrsflächen und spart mit jedem Quadratmeter weniger Wohnfläche um die 1200 Euro, rechnet Achim Linhardt in seinem Buch „Attraktiv bauen mit kleinem Budget“ (DVA, ISBN 978-3-421-03816-6) vor.

Und aus architektonischer Sicht?

Couch im Dachstudio von Haus Polz

Es gibt nicht nur eine Couch (im Fernsehzimmer) im Haus Polz, sondern sogar zwei: Auch das Dachstudio ist damit ausgerüstet. Foto: Karin Polz

Der Architekt ist der Fachmann für den Grundriss, er kann dafür sorgen, dass die Raumaufteilung zu den Gewohnheiten und Bedürfnissen der Bauherren passt und individuelle Lösungen vorschlagen. Wer gerne DVD-Abende gemeinsam mit dem Partner auf der Couch verbringt, wird anders planen als jemand, der regelmäßig eine bunte Gästeschar mit Drei-Gänge-Menüs bewirten möchte. Dazu kommen Fragen wie: Wie verlaufen die Wege im Haus? Wie ist die Lichtführung? Wo gibt es schöne Ausblicke? Das Wohnzimmer muss sich sinnvoll in die Gesamtplanung integrieren. Zudem sieht ein guter Grundriss in einem Haus mit schmaler, langer Grundfläche natürlich anders aus als in einem quadratischen Baukörper. Bestimmte Regeln gelten aber fast immer: Wer zum Beispiel lange Flure vermeidet und damit Verkehrsfläche sparen möchte, wird sein Wohnzimmer eher offen gestalten. Da geht man dann vielleicht durch das Esszimmer ins Wohnzimmer oder durch das Wohnzimmer ins Arbeitszimmer.

Unbedingt besprechen sollte man mit dem Architekten, inwieweit man die Räume flexibel nutzen und so die Raumaufteilung ändern kann. Ein Haus bewohnt man in der Regel in sehr verschiedenen Lebensphasen – und je starrer die Raumaufteilung geplant ist, desto schwieriger wird eine sinnvolle Nutzung in den einzelnen Phasen. Ein Beispiel, das ich zurzeit vor allem in den Elternhäusern meiner Freunde und meiner Familie sehe: In der Regel waren Küche, Esszimmer und Wohnzimmer dort einzelne Räume. Am kleinsten die Küche, etwas größer das Esszimmer und am größten das Wohnzimmer. Wenn aber jetzt die Kinder alle schon eigene Familien haben, kommen zum bestimmten Anlässen manchmal sechs oder gar zehn Erwachsene zusammen plus die Enkelkinder-Schar. Das Esszimmer, das für solche Gelegenheiten genutzt wird, ist dann zu klein. Das Wohnzimmer ist dagegen für die Dauernutzung durch nur zwei Personen viel zu groß. Gut ist es, wenn solche Funktionen getauscht werden können. Das klappt am besten, wenn Räume offen und dadurch flexibel sind oder bei einer Neuaufteilung Aufgaben der Wohnräume ausgelagert werden können. Ein Lese- oder Fernsehzimmer in einem früheren Arbeitszimmer oder eine gemütliche Couch in der offenene Galerie im ersten Stock sind beispielsweise Lösungen, die man immer wieder sieht.

Entscheidungshilfen

Das Wohnzimmer hat sich in jüngster Zeit wieder gewandelt. War das Wohnzimmer lange Zeit ein repräsentativer Raum, wird es jetzt wieder privater und intimer. Häufig ist es wieder abgetrennt, oft sogar etwas versteckt hinter den „offiziellen“ Wohnräumen platziert. Manchmal ist es kleiner als die Essräume, dafür mit einer Couchlandschaft vollgestellt – eher ein Ruheraum als ein Wohnraum. Wer das Gegenteil anstrebt, schaut sich als Inspiration bei der Einrichtungplattform Houzz die wunderschönen Fotos zum Thema „Acht Ideen für ein gemütliches Wohnzimmer ohne Sofa“ an. Das Für und Wider des offenen Wohnens diskutiert der Artikel „Loft-Wohnungen sind nur auf den ersten Blick schick“ in der Onlineausgabe der „Welt“.

Hier geht es zu den weiteren Teilen der Serie „Das kannst du doch nicht machen!“:

Teil 1: Bauen ohne Keller

Teil 2: Bauen am Nordhang

Teil 3: Bauen ohne Rollläden

Teil 5: Bauen mit Holz

Teil 6: Bauen ohne Zaun

Teil 7: offener Wohnraum, offene Treppe