Rundum-Energieversorgung durch die Sonne

Kollektoren auf dem Dach, an der Fassade und an der Rückwand des Carports (links) sammeln die Energie der Sonne. Foto: Karin Polz

Im Sommerhalbjahr Warmwasser und Heizung nur durch die Sonne? Das kriege ich mit meinen 14 Quadratmetern Solarkollektoren schon hin. Mehr Strom erzeugen, als ich selber brauche? Auch das ist mit meiner Photovoltaikanlage im Sommer ein Kinderspiel. Aber das ganze Jahr über nur auf die Sonne als alleinige Energiequelle vertrauen? Das scheint riskant. Ist doch das Hauptproblem bei der Sonnenenergie, dass Häuser dann die meiste Energie benötigen, wenn die Sonne am wenigsten scheint.

Ein Modellprojekt im Deggendorfer Stadtteil Natternberg soll aber nun genau das beweisen: Dass ein Haus mit entsprechender Ausstattung an Solarthermie und Photovoltaik mehr Energie erzeugen kann, als es selbst verbraucht. „Da geht es natürlich jetzt um die Bilanz“, sagt Markus Zacher. Der Student der Ostbayerischen Technischen Hochschule (OTH) Regensburg verbringt sein Praxissemester damit, die Daten des Hauses zu sammeln und auszuwerten. Doch zu seinen Aufgaben gehört es auch, mal die Waschmaschine und den Trockner zu beladen, die Lichter ein- und auszuschalten – Markus Zacher muss einigermaßen simulieren, wie sich die Energieströme in einem Haus verhalten, das bewohnt wird. Das nämlich wird das Haus in Natternberg nicht. Stattdessen steht es als offizielle Außenstelle der Donaugartenschau bis Oktober 2014 Besuchern offen, die sich über Bauweise, Haustechnik und neueste Entwicklungen bei der Energieversorgung informieren wollen.

Stahlbeton und eine dicke Dämmschicht bilden die Außenwände, innen sind die Wände teils als Sichtbetonwände ausgeführt. Foto: Karin Polz

Sonnenenergie ist in Energiekonzepten für Einfamilienhäuser ein beliebter Baustein. Denn Sonnenenergie steht einen Großteil des Jahres reichlich zur Verfügung und kostet nichts. „Und Solarthermie ist bereits recht ausgereift“, sagt Markus Zacher. Die Warmwassergewinnung mittels Sonne ist schon lange Praxis bei Wohnhäusern. Photovoltaik entwickelt sich gerade enorm weiter: Auch private Bauherren können sich nun Speicher leisten, die dafür sorgen, dass der mit der Kraft der Sonne erzeugte Strom nicht sofort, sondern auch noch später genutzt werden kann.

Der Pufferspeicher steht in einem Anbau. Er ist 3,8 Meter hoch und hat einen Durchmesser von 1,8 Metern. 20 Zentimeter Mineralwolle dämmen den Speicher. Foto: Karin Polz

Das „Effizienzhaus Plus“ basiert auf einfachen Prinzipien: Das Haus soll möglichst wenig Energie benötigen. Daher ist es gut gedämmt: Die 16 Zentimeter dicken Stahlbetonwände tragen eine 30 Zentimeter dicke Neopor-Dämmschicht. Die Fenster sind dreifach verglast und nach Süden ausgerichtet: So heizt die einfallende Sonne im Winter die Räume mit, im Sommer wird sie dank intelligenter Jalousien-Steuerung ausgesperrt. Auch alle Stromverbraucher, von der Umwälzpumpe bis zur LED-Beleuchtung, wurden nach Energieverbrauch ausgewählt.

Für ein Haus, das wenig Energiebedarf hat, kann Sonne die Heizung und Stromversorgung übernehmen. Verschieden geneigte Solarthermiefelder sollen möglichst viel Sonnenlicht einfangen: Knapp 50 Quadratmeter sind es insgesamt, verteilt auf die Fassade, wo die Kollektoren senkrecht angebracht sind, auf die Fläche hinter dem Carport mit 70 Prozent Neigung und auf dem Dach, das 33 Prozent Neigung hat. Die Wärme wird dann in einem 9200 Liter umfassenden Pufferspeicher − mit 20 Zentimetern Mineralwolle gedämmt − gespeichert und bei Bedarf über eine Fußbodenheizung verteilt. Der Pufferspeicher ist 3,8 Meter hoch und hat einen Durchmesser von 1,8 Metern, alleine schon wegen seiner Größe steht er daher in einem Extraraum zwischen Haus und Carport.

Aber auch die Wärme, die der Pufferspeicher trotz Dämmung im Sommer abstrahlt, wäre in den Wohnräumen unerwünscht. Im Winter allerdings kann genau diese Wärme genutzt werden: Die zentrale Wohnraumlüftung kann sich Zuluft auch aus dem Raum des Pufferspeichers holen. Ist die Wärme des Pufferspeichers erschöpft, kommen als Notsystem zwei Heizstäbe zum Einsatz. Diese können theoretisch auch mit Sonnenstrom der Photovoltaikanlage mit 7,8 Kilowatt Peak Leistung betrieben werden. Oder mit Strom aus der Batterie, die mit Überschüssen der Photovoltaikanlage gefüllt wird und acht Kilowattstunden Kapazität hat. Die Batterie kann den Eigenverbrauch des selbst erzeugten Stroms erhöhen − und bei Überschüssen auch das Elektroauto auftanken, das im Carport steht.

Markantes gestalterisches Detail: Mitten im Erdgeschoss führt die mit dunklen Wänden umgebene Treppe ins Obergeschoss. Foto: Karin Polz

Obwohl noch nicht klar ist, wie der Energiebedarf im Winter sich tatsächlich decken lässt, kann bereits errechnet werden, dass es über das ganze Jahr gesehen einen Energieüberschuss geben wird. Zwei Jahre lang werden alle Daten rund ums Haus erfasst – unter anderem geben mehr als 50 Sensoren im ganzen Haus Markus Zacher Auskunft über die verschiedensten Parameter. Der Student des Faches „Regenerative Energien und Energieeffizienz“ veröffentlicht eine tägliche und monatliche Bilanz unter anderem auf der Internetseite http://effizienzhausplus-deggendorf.de. Die wichtigsten Kenndaten werden an das Fraunhofer Institut für Bauphysik in Stuttgart übermittelt.

Gebaut wurde das Haus mit 170 Quadratmetern Wohnfläche von der Firma Bachl aus Röhrnbach (Landkreis Freyung-Grafenau). Unter www.bachlplushaus.de stellt die Firma Bachl weitere Informationen zum Projekt bereit. Das Haus in Natternberg ist eines von mehreren Modellhäusern des deutschlandweiten Effizienzplushaus-Netzwerks, gefördert vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit. Auch architektonisch ist es interessant: Ein großzügiger Luftraum über dem Wohnbereich, Sichtbetonwände und ein mitten in den Raum gesetzter, kompakter Treppenaufgang verleihen dem Haus eine moderne Anmutung. Ein Grundriss findet sich unter http://effizienzhausplus-deggendorf.de/index.php/architektur.

Das Effizienzhaus Plus ist im Rahmen der Donaugartenschau, die noch bis 5. Oktober 2014 dauert, täglich von 9 bis 18 Uhr kostenlos zu besichtigen. Die Anschrift lautet: Deggendorfer Straße 74, 94469 Deggendorf/Natternberg.

Der intelligente Balkon

Das Haus namens Smart ist Grün in Hamburg

Wenn die Sonne auf den Balkon scheint, wird hier nicht nur sonnengebadet, sondern auch Energie erzeugt. Foto: Hendrik Schwartz

Balkone von Mehrfamilienhäusern können oft ganz schön hässlich sein. Eine recht elegante und dabei noch sehr sinnvolle Lösung haben Zillerplus Architekten und Stadtplaner aus München für ihr Haus „Smart ist grün“ gefunden: Die Balkonbrüstungen des fünfstöckigen Mehrfamilienhauses bestehen aus Solarmodulen.

Doch diese Art der grünen Energieerzeugung ist nur eine Besonderheit des Hauses, das im Rahmen der Internationalen Bauausstellung (IBA) 2013 in Hamburg umgesetzt wurde. Neben Photovoltaik und Solarthermie fällt vor allem eine ganz besondere Art der Kurzzeit-Wärmespeicherung auf: PCM-Vorhänge in den Räumen nehmen überschüssige thermische Energie auf und geben sie bei Bedarf wieder ab. „PCM steht dabei für Phase-Change-Materialien, aggregatswechselnde Materialien, die Wärme latent speichern und wieder abgeben können. In den Wintermonaten nehmen die Vorhänge die Wärme der flach stehenden Sonne auf und geben sie während der Nacht an die Räume ab“, heißt es in der Projektbeschreibung von Zillerplus Architekten und Stadtplaner.

Ganz schön grün: das Algenhaus

Das IBA-Haus BIQ mit Bioreaktorfassade.

BIQ heißt das grüne Passivhaus, das auf zwei Seiten mit einer Algen produzierenden Fassade überrascht. Foto: Hendrik Schwartz

Wie versorge ich mein Haus günstig, nachhaltig und zuverlässig mit Energie? Das ist heute – so hoffe ich doch – eine der wichtigsten Fragen, wenn es ums Bauen geht. Leider sind nur wenige Häuslebauer dabei wirklich kreativ. Doch wenn sich Wissenschaftler und Querdenker nur ausgiebig genug mit dem Thema beschäftigen, kann etwas so UngeWOHNliches dabei herauskommen wie das Algenhaus namens BIQ in Hamburg-Wilhelmsburg.

Wer nicht ganz so genau hinschaut, könnte das fünfstöckige Gebäude einfach nur für ein optisch nicht ganz so gelungenes Mehrfamilienhaus in einer gewöhnungsbedürftigen Farbe halten. Doch weil es eine Sprechblase mit dem Schriftzug „Photosynthese?“ auf der Fassade trägt, riskiert man vielleicht doch einen zweiten Blick – und entdeckt geschosshohe Elemente an den Sonnenseiten. In diesen Kollektoren werden Algen gezüchtet. In Hohlräumen zirkuliert Wasser, das die Algen mit Kohlendioxid und Nährstoffen versorgt. Das Sonnenlicht tut das Übrige, und so lösen sich regelmäßig Algenfetzen, die nach oben steigen – erntereif.

In den Glasscheiben an der Fassade wachsen stetig Algen.

In den Kollektoren, die mit Nährlösung gefüllt sind, steigt immer wieder erntereife Algenmasse auf. Foto: Hendrik Schwartz

Im Technikraum des Gebäudes wird die Algenmasse geerntet und extern in Biogas umgewandelt. Selbst erzeugte Energie für das Passivhaus, das Ingenieure, Architekten, Wissenschaftler und Künstler anlässlich der Internationalen Bauaustellung (IBA) in Hamburg gemeinsam entwickelt haben. Weltweit soll das BIQ – die Abkürzung steht für „Bio-Intelligenzquotient“ – das erste Experiment dieser Art sein. „Mit dem innovativen Projekt entsteht in Hamburg-Wilhelmsburg das erste Haus weltweit, das sich über eine Gebäudefassade aus Photobiokollektoren selbst mit Energie versorgt“, heißt es auf der Internetseite www.biq-wilhelmsburg.de.

Rein rechnerisch könnte das Haus mit 15 Mietwohnungen wenigstens eine Mietpartei durch die sogenannte Bioreaktorfassade versorgen – auch das wird auf der Internetseite www.biq-wilhelmsburg.de vorgerechnet: „BIQ verfügt über 200 Quadratmeter Algenfassade. Bei einem Ertrag von 15 Gramm Trockenmasse pro Quadratmeter und Tag kann bei der Umwandlung von Biomasse in Biogas ein Nettoenergiegewinn von zirka 4500 Kilowattstunden pro Jahr erzielt werden. Zum Vergleich: Eine vierköpfige Familie verbraucht im Jahr zirka 4000 Kilowattstunden. Die Algenfassade könnte so den gesamten Haushalt der Familie mit Biostrom versorgen!“