Augen auf in Vorarlberg

Ein modernes Holzhaus in Bezau in Vorarlberg.

Ein modernes Holzhaus in Bezau in Vorarlberg.

Wer Architektur liebt, sollte Urlaub im österreichischen Bundesland Vorarlberg machen. Aber er sollte dabei tunlichst vermeiden, selbst mit dem Auto durch die Region fahren zu müssen. Denn wenn man ständig verzückt schauen muss, welche bewundernswerten Gebäude rechts und links der Straße stehen, kann man sich halt schlecht auf den Verkehr konzentrieren.

Holzhaus in Bezau

Holzhäuser passen sich durch ihr Baumaterial an die alte Bebauung an.

Mir ging es jedenfalls so – am liebsten hätte ich ständig am Straßenrand gehalten, um die Häuser genauer anzuschauen. Ein Spaziergang auch durch kleinere Orte ist wie ein Besuch im Musterhauspark – nur, dass die Häuser in den Vorarlberger Orten wesentlich schöner sind als die meisten Musterhäuser. Einer der ersten zehn Plätze wäre Vorarlberg bei einem Ranking der Welt-Architekturregionen gewiss, glaubt Bregenzerwald Tourismus und listet auf seinen Internetseiten und in Broschüren reihenweise sehenswerte Bauten auf.

Ein Holzhaus mit Flachdach in Bezau.

Flach und große Fenster: ein weiterer Hingucker am Straßenrand.

Aber warum gibt es nun gerade in Vorarlberg so viele schöne Bauten? Weil jedes vierte Wohnhaus von einem Architekten geplant wird, und weil diese ihre ganz eigenen Vorstellungen von Architektur pflegen – regional, nachhaltig, wohnlich. Der Nutzwert war immer wichtig, betonen Experten. Und es wird viel Holz verbaut – und weil das seit Jahrhunderten in Vorarlberg so ist, passen die neuen Häuser in modernen Formen auch gut zu den alten Häusern – das gemeinsame Baumaterial verbindet. „Klare Linien, Glas und Holz aus heimischen Wäldern charakterisieren die neuen Gebäude, die zudem wahre Energiesparmeister sind“, heißt es beim Vorarlberg Tourismus. „Das ist in Vorarlberg praktisch bereits üblich geworden, dass man hier modern baut“, sagt Matthias Amann von der Vorarlberger Holzbaukunst in einem Video, das hier auf Youtube zu sehen ist. Architektur, Ökologie und gutes Handwerk hält er für das erfolgversprechende Dreieck.

Am spannendsten für mich waren natürlich die Wohnhäuser, auch wenn viele Schulen, kommunale Einrichtungen, gewerbliche Bauten und Hotels ebenfalls einzigartige Architektur vorweisen können. Die privaten Bauten kann man natürlich nicht besichtigen, aber schon bei einem Spaziergang bekommt man vom Gehsteig aus spannende Einblicke – ein paar sind hier zu sehen.

Flachdachhaus in Bezau.

Gute Aussichten – sowohl für die Hausbewohner, als auch für die Spaziergänger in Bezau, die auf den Hang blicken.

Für mich zeigt sich im Vorarlberg, dass es sich erstens lohnt, mit Architekt zu bauen: Die Qualitätsunterschiede zu einer bayerischen Wohnsiedlung sind eigentlich für jeden Laien deutlich sichtbar. Zweitens zeigen die Häuser ganz deutlich, dass moderne Architektur sehr wohl wohnlich und praktisch sein kann. Wer vorhat, demnächst zu bauen, sollte einen Kurzurlaub im Bregenzer Wald unbedingt einplanen – es gibt dort nämlich auch ein paar Hotels, die neben guter Architektur auch gute Erholung versprechen. Und gute Anregungen fürs eigene Haus sind sowieso garantiert!

Turmzimmer oder Turmblick?

Ein leeres Zimmer in der Veste Niederhaus

So wohnt man in der Veste Niederhaus: mit ganz dicken Burgmauern.

Die Veste Niederhaus ist eines der Wahrzeichen Passaus. Wer möchte, kann darin auch wohnen, denn die Burg wurde vor einiger Zeit vom Architekturbüro Paukner innen umgebaut. Entstanden sind die wohl ungeWOHNlichsten Mietwohnungen, die Passau zu bieten hat. Bei den Architektouren 2013 konnten Besucher einen Blick in einige der 13 Einheiten werfen.

Wer Burgherr oder Burgfräulein werden möchte, muss allerdings einige Kompromisse eingehen. Viele unebene steinere Stufen sind zu überwinden, bis man an seiner Wohnungstür ankommt. 95 Stufen sind es zum Beispiel bis zur Vier-Zimmer-Wohnung mit 150 Quadratmetern, die man für 1500 Euro warm mieten kann – angeboten derzeit bei Immobilienscout24. Dafür wohnt man in einer Festung, die ungefähr 1250 gebaut wurde, eine bewegte Vergangenheit aufweist und malerisch zwischen Donau und Ilz liegt – und Besuche im Fitnessstudio werden überflüssig, den knackigen Hintern gibt es beim Gang zur Haustür gratis.

Viele der Architektouren-Besucher haben die drei noch leeren Wohnungen (129 bis 150 Quadratmeter) schon im Geiste eingerichtet. Dass man dabei allerdings kreativ vorgehen muss, wurde den meisten schnell klar. Die Raumaufteilung ist recht unkonventionell – oder praktisch nicht vorhanden. Ich persönlich hätte am liebsten bei dem 25-Quadratmeter-Appartement im Bergfried zugeschlagen, das allerdings schon einen neuen Mieter gefunden hat. Auf einer Ebene im Turm zu wohnen, das hat ein bisschen was von Dornröschen.

Blick von Klosterwinkel 6 auf den Schaiblingsturm

Mal aus einer anderen Perspektive: der Schaiblingsturm von der Dachterrasse aus gesehen.

Die nächste Traumwohnung wartete bei den Architektouren aber schon bei der nächsten Station – leider ebenfalls vermietet. Im Klosterwinkel 6 hat Architekt Andreas Schmöller ein denkmalgeschütztes Haus direkt an der Innpromenade umgebaut. Neben der ungewöhnlichen Stahltreppe im Zentrum des Hauses ist vor allem die Dachterrasse auffällig – denn solche gibt es in der Altstadt selten. Neue werden in der Regel nicht genehmigt, um das Stadtbild nicht zu stören, wie Architekt Andreas Schmöller erläuterte. Deshalb hat der Giebel der fabelhaften Dachwohnung im Klosterwinkel 6 Holzlamellen vor der Verglasung. Aber die muss man natürlich nicht schließen. Stattdessen genießt man besser den wirklich einzigartigen Ausblick: direkt vor der Terrasse den Schaiblingsturm, dahinter dann Mariahilf.

 

Viele Vorschriften, viel Raffinesse

Haus Z in Passau Grubweg mit klaren Formen und Lärchenholzfassade

Viel Holz und große Fenster: Haus Z wirkt trotz strenger Formen sympathisch.

Ich bin unglaublich neugierig. Darum habe ich mich sehr gefreut, dass bei den Architektouren der bayerischen Architektenkammer wieder private Einblicke gewährt wurden. In fremde Wohnhäuser kann man ja sonst nicht so ohne Weiteres einen Blick werfen. Ich war schon fast ein bisschen aufgeregt, als ich mich zu Haus Z im Passauer Stadtteil Grubweg aufgemacht habe, das bei den Architektouren mein erstes Ziel war – und das schönste an diesem Wochenende. Der nette Bauherr Z und der junge Architekt Christopher Schmid haben diese Architektouren-Station zu einem eindrucksvollen Erlebnis gemacht.

Am meisten Eindruck hat aber natürlich die Architektur hinterlassen: Denn ich liebe zum einen klare Formen, zum anderen Holz. Und Haus Z hat beides. Von außen ist es sehr reduziert, hat nur gerade Linien und wirkt durch die Lärchenholz-Fassade und die großen Fenster dennoch überhaupt nicht kühl. Und dann der Standort: Kein ebener Standard-Rechteck-Bauplatz, sondern ein Hang. Wer an solchen Stellen mit Architekt plant, bekommt eigentlich immer etwas Einmaliges – so auch hier.

Bis zur Eingangstür sind einige Stufen zu bewältigen – aber anders ging es nicht: Denn das Haus Z steht genau auf dem Platz eines alten Wohnhauses – im Außenbereich darf man Häuser oft nur ersetzen, nicht aber frei neu bauen. Deshalb hatten sich Architekt Christopher Schmid und der Bauherr an jede Menge Regeln zu halten. Die sie aber genutzt haben, um das Haus umso raffinierter zu konstruieren. An das alte Haus erinnert nichts mehr.

Zwei Baukörper sind es, die den Wohnraum bilden. Drinnen geht es ebenfalls recht minimalistisch zu, Betonboden, viel Weiß an den Wänden, klare Linien, kein Schnickschnack. Durch die großen Fenster wirkt alles hell, freundlich und gibt schöne Blicke ins  Freie preis – in den eigenen Garten, im Winter auch bis runter an die Donau. Dass man solche Ausblicke nicht mit Rollläden abtrennen darf, das sieht auch der Bauherr so – und hat darauf verzichtet.

Von innen ist der Giebel oben abgerundet.

Nettes Detail: Innen ist die Giebelform sanft gerundet.

155 Quadratmeter hat die Familie Z zum Wohnen. Ich hätte mich bei der Quadratmeterzahl komplett verschätzt, weil alles viel größer wirkt. Aber hier macht sich die kluge Planung bezahlt: Wer keinen Platz an Flure und ungenutzte Ecken und Winkel verwendet, kann großzügig wohnen.

Dass Bauherr und Architekt wohl gerne tüfteln und sich mit technischen Details spielen, haben die beiden im Gespräch nicht nur einmal angedeutet. So ist alleine die Regenrinne ein wahres Wunderwerk – sie verläuft nämlich im Dach und hinter der Holzfassade. Denn Dachüberstand gibt es keinen – auch, um der Lärchenfassade zu ermöglichen, gleichmäßig zu verwittern.

Raffiniert, energiesparend, wunderschön: Haus Z hat mich sehr beeindruckt, weil man an diesem Beispiel sehr gut sehen kann, was ein Architekt bewirken kann. Ein Architektenhaus muss nicht riesig und ungemütlich sein, sondern es ist im besten Fall ein Haus, in dem die Bauherren genau so wohnen, wie sie es sich wünschen. Und dass der Bauherr gerne in seinem Haus wohnt und seine Begeisterung über das gelungene Projekt gerne teilt, das hat man bei den Architektouren deutlich gemerkt. Und ich habe mich gefreut, dass ich einen Blick in das ungeWOHNliche Haus werfen durfte. Vielen Dank, Familie Z!

Nicht verpassen: Architektouren 2013

Danke, liebe Architektenkammer, für diese wunderbare Veranstaltung! Seit vielen Jahren bin ich großer Fan der Architektouren, 2010 war sogar mein eigenes Haus dabei. Architektouren, das heißt: Jeder Interessierte kann an einem Wochenende im Juni von der Architektenkammer ausgewählte Projekte anschauen, mit dem Architekten und den Bauherren sprechen, sich Architektur erklären lassen, sehen, was möglich ist, – und ungeniert in fremde Wohnungen schauen. In Bayern ist es dieses Wochenende, am 29. und 30. Juni, wieder so weit – und ich bin auf jeden Fall dabei.

Die Architektouren werden in der Zeitung angekündigt.

Die Qual der Wahl: die Projekte 2013.

Ich plane, das Wohngebäude Klosterwinkel 6 an der Innpromenade in Passau anzuschauen. Das denkmalgeschützte Gebäude wurde umgebaut und saniert, zu besichtigen ist es am Samstag von 14 bis 15 Uhr. Auch die Veste Niederhaus in Passau steht auf meinem Programm. In der Burg wurden dreizehn Wohnungen geschaffen, vom Rittersaal bis zur Turmstube. Besichtigungen sind am Samstag von 10.30 bis 12 Uhr und von 14 bis 16 Uhr möglich. Wenn ich es noch schaffe, möchte ich mir auch das Haus Z in der Walchergasse 5 in Passau anschauen. Auf den Fotos sieht dieses Einfamilienhaus sehr ungeWOHNlich aus. Termine im Rahmen der Architektouren sind Samstag von 10 bis 12 Uhr und Sonntag von 15 bis 17 Uhr angesetzt. Auch einen Besuch wert: das Bürogebäude der Mymuesli GmbH in Sailerwöhr 16 in Passau. Dort wird man mich am Samstag zwischen 13 und 16 Uhr bei den Besichtigungsterminen finden.

Sämtliche Projekte in Bayern, die heuer bei den Architektouren dabei sind, sind samt Daten und Besichtigungsterminen zu finden unter architektouren.byak.de/byak.html.

Wie mir die Architektouren-Projekte 2013 gefallen haben, wird natürlich dann in Kürze auch Thema hier im Blog sein.

Das „Haus Polz“

Ich wohne seit 2008 im Landkreis Passau in einem Haus, das der Architekt Florian Fischer aus München geplant hat. Es ist ein Holzhaus, das die Firma Haidl aus Röhrnbach (Landkreis Freyung-Grafenau) gebaut hat.

Haus Polz aus südwestlicher Richtung

Das „Haus Polz“

Das Haus wurde 2010 von der Bayerischen Architektenkammer für die Architektouren ausgewählt.

Sensationellerweise hat es das „Haus Polz“ sogar ins  „Deutsche Architektur Jahrbuch 2010/11“ geschafft und wurde darin als eines von nur zwei Privatbauten vorgestellt – in ausgesprochen prominenter Nachbarschaft. Andere Seiten in dem Buch sind zum Beispiel dem Wiederaufbau des Neuen Museums auf der Museumsinsel Berlin von David Chipperfield Architects gewidmet oder dem VitraHaus in Weil am Rhein vom Basler Architekturbüro Herzog & de Meuron.

Was an meinem Haus so besonders ist? Da haben der Architekt, ich und die Architekturjournalisten jeweils ganz eigene Sichtweisen. Diese gibt es in Kürze hier nachzulesen.