Vergesst die Zukunft nicht!

Buchtipp: Was zu beachten ist, wenn man heute ein Haus baut

Wer ein Haus baut, beschäftigt sich vor allem mit der Gegenwart: Welche Bedürfnisse habe ich, welche Materialien liegen im Trend, wie integriere ich mein Bauvorhaben ins Umfeld? An die Zukunft denken Bauherren höchstens, wenn es um die Raumaufteilung und die Anzahl der Kinderzimmer geht. Kaum jemand überlegt, was in 20 Jahren sein wird – obwohl die Nutzungsdauer eines Hauses doch noch wesentlich länger veranschlagt wird. Warum es sich lohnt, beim Hausbau oder Hauskauf auch weiter in die Zukunft zu blicken als nur bis zum angepeilten Einzugstermin, erklärt das Buch „Bauen für die Zukunft“ aus dem Callwey-Verlag. Es gibt einen guten Einblick, welche Themen Architektur, Bauen und Wohnen in den nächsten Jahrzehnten bestimmen werden.

Die Themen der Zukunft

Als fünf starke Impulsgeber, die die Architektur und das Wohnen stark prägen werden, sind folgende Punkte genannt:

  • Steigende Energiekosten & neue Mobilität
  • Klimawandel & Ressourcenschonung
  • Materialinnovation & Computersteuerung
  • Digitale Revolution & Smart Home
  • Soziale Städteplanung & Wohnformen
Ausschnitt aus einer fiktiven Immobilienanzeige aus dem Jahr 2019 - ob die Zukunft des Wohnens so aussieht?
Das fiktive Haus, das 2029 zum Verkauf steht, ist aus unbehandeltem Holz, hat hundert Quadratmeter Gemüsebeete zu bieten, die Begrünung bindet jährlich eine Tonne Kohlendioxid und besitzt Ladestationen für E-Auto und E-Bike. Ein Vision, die Wirklichkeit werden wird?

Viele dieser Themen sind bekannt, manche ziehen künftige Bauherren bestimmt auch jetzt schon in ihre Überlegungen mit ein. Und einige Punkte sind es wert, genauer betrachtet zu werden, wenn man vorhat, ein Zuhause zu bauen, das viele Jahrzehnte die eigenen Bedürfnisse erfüllt.

Kühlung ebenso wichtig wie Wärmedämmung

Geht es um Themen wie Nachhaltigkeit, Ressourcen- und Energieverbrauch, stehen oft die Art der Heizung und die Wärmedämmung im Vordergrund. Dabei übersehen die meisten, dass durch den Klimawandel auch die Kühlung des Wohnraums mittlerweile von großer Bedeutung ist. „Kühlung war früher für Bauten in Mitteleuropa nicht erforderlich“, erklärt dies Ingenieur Matthias Schuler in dem Callwey-Buch. Dabei kann Hitze- und Sonnenschutz auch sehr einfach sein, nicht immer ist eine technische Lösung notwendig. Ein ausreichender Dachüberstand kann schon viel bringen. Matthias Schuler rät dazu, vor der Planung immer den Standort und das Mikroklima genau zu analysieren. Dazu zählen auch Sonnentage, Windstärke, Windrichtungen. So lassen sich Heizung und Kühlung maßschneidern.

Wegstrecken genauso berechnen wie die Zinsen

Der Standort des geplanten Hauses ist auch in anderer Hinsicht wichtig. Mobilität und wie man welche Wege zu welchen Kosten künftig zurücklegen kann, ist ebenfalls eine Frage, die weit in die Zukunft reicht. Architekt und Stadtplaner Wilhelm Klauser schlägt dabei im Buch eine detaillierte Berechnung vor: Jeder von vornherein absehbare notwendige Weg – zur Arbeit, zur Schule – wird genau aufgelistet und bewertet: Wie viel Lebenszeit kosten die notwendigen Wege? Das wird für alle Familienmitglieder berechnet und dann multipliziert mit den Jahren, die man am geplanten Bauort wohnen möchte. Wie die Berechnung von Zins und Tilgung sollte die Zeit mit in eine Kalkulation einfließen.

Spannende Interviews, praktische Tipps, informative Grafiken

Eine abwechslungsreiche und informative Mischung aus Interviews mit Experten, Projektvorstellungen, Hausporträts und Listen und Grafiken macht das Buch zum Nachschlagewerk für alle, die zukunftsorientiert bauen wollen. Aber auch, wer aktuell nicht bauen will, findet in dem Buch viele Themen, über die es sich nachzudenken lohnt: Welche Vorteile könnte ein zweites Stromnetz mit Gleichstrom für ein Haus mit Photovoltaikanlage bringen? Wie wirkt sich Licht auf den Organismus und die Gesundheit aus? Was können bepflanzte Dächer und Fassaden gegen Kohlendioxid und Feinstaub ausrichten? Welche Rolle wird mobiles Wohnen auf kleinster Fläche spielen? Zum letztgenannten Punkt stellt Fertighaus-Unternehmer Johannes Schwörer sein Konzept „Flying Space“ vor: eine Wohneinheit, die flügge gewordene Kinder beispielsweise künftig mitnehmen könnten, wenn sie das – aus Flying-Space-Modulen gebaute – Elternhaus verlassen.

Im Buch finden sich auch Projekte, die Blogleser aus meinen früheren Beiträgen schon kennen: zum Beispiel das Algenhaus mit seiner Bioreaktor-Fassade und das aus Modulen flexibel zusammengesetzte Haus Case Study House #1.

Das Buch „Bauen für die Zukunft“ (ISBN 978-3-7667-2104-4) von Louis Saul ist im Callwey-Verlag erschienen und kostet 39,95 Euro.

Das kannst du doch nicht machen – Teil 7: offener Wohnraum, offene Treppe

Blick vom Wohnflur im oberen Geschoss des Hauses Polz auf die offene Treppe.
Kein schmaler Flur, sondern eine großzügige Fläche, die flexibel nutzbar ist, erschließt die Räume im Obergeschoss. Die Treppe verbindet die beiden Etagen: Es gibt keine Türen, die man zumachen könnte, um die Geräuschkulisse aus dem Wohnraum auszusperren. Foto: Karin Polz

Meine Eltern leben in einem Zweifamilienhaus aus den 1970er Jahren. Ich bin also aufgewachsen mit den typischen Elementen dieses Baustils: einem langen, dunklen Flur, von dem alle Zimmer abgehen. Und einem abgetrennten Treppenhaus, das die zwei abgeschlossenen Wohnungen verband und vom Keller bis in den ersten Stock reichte. Dazu kam, dass meine Familie aus Platzgründen die drei insgesamt Kinderzimmer auf Erdgeschoss und Obergeschoss verteilt hatte. Wenn morgens in meinem Kinderzimmer im Erdgeschoss der Wecker klingelte, musste ich daher die Erdgeschoss-Wohnung verlassen, mich im kalten, unwohnlichen Treppenhaus die Marmorstufen hochschleppen, damit ich in der Küche im Obergeschoss frühstücken konnte. Noch heute finde ich es deshalb ungemütlich, wenn die Schlafräume durch ein abgeschlossenes und womöglich unbeheiztes Treppenhaus von den Wohnräumen getrennt sind. Ich wollte es anders haben – auch wenn viele gewarnt haben: „Das kannst du doch nicht machen!“

Warum ist bei uns alles offen?

Für mein eigenes Haus habe ich mir immer gewünscht, alle Flächen wohnlich und warm zu gestalten. Jeder Quadrat muss Aufenthaltsqualität bieten – reine Nutzflächen brauche ich nicht. Von Anfang an wollte ich auf Keller, abgeschlossene Treppenhäuser und Flure verzichten. Mit Erfolg: Die Treppe zwischen Erdgeschoss und Obergeschoss beginnt im offenen Wohnraum – dieser Eindruck wird durch ein Podest noch verstärkt. Die Treppe endet dann dort, wo ein Flur zu erwarten wäre – im Haus Polz handelt es sich aber dabei um eine großzügige Fläche, die auch als Spielfläche oder Sitzfläche nutzbar ist. Übrigens wird sogar die Treppe oft als Wohnfläche genutzt: Wenn wir Besuch mit kleinen Kindern haben, setzen sich diese gerne auf das Podest oder die erste Treppenstufe statt auf einen Sessel. Ich vermute, es hat auch damit zu tun, das man von dort einen großartigen Blick über den ganzen Wohnraum und hinaus in den Hanggarten hat.

Welche Auswirkungen haben offene Wohnräume und Treppenhäuser auf die Baukosten?

Pauschal kann man das vermutlich nicht sagen – da ich nie eine andere Lösung in Betracht gezogen habe, gibt es auch keine Kostenvoranschläge für alternative Planungen. Zwei Punkte halte ich aber für überlegenswert: das Thema Heizung und Dämmung sowie den Flächenverbrauch.

Eine offene Treppe vom Erdgeschoss in den unbeheizten Keller ist zum Beispiel ohne Dämmung problematisch. Wie sich eine Dämmung auf ein ungeheiztes Treppenhaus auswirkt, erklärt gut verständlich der Architekt Reinhard Maria Schneeweiß auf seinem Blog. Ich war in der komfortablen Situation, mich mit dieser Frage nicht beschäftigen zu müssen – schließlich umfasst mein Haus nur geheizte Bereiche. Aber wer anders plant, sollte sich gut beraten lassen.

Je nachdem, ob die Treppe gerade, gewendet, mit Podest oder ganz besonders gestaltet ist, benötigt die Treppe viel oder wenig Platz. Der Platzbedarf von Spindeltreppen mitten im Wohnraum ist fast schon vernachlässigbar, während geradläufige Treppen mehr Raum einnehmen. Wer auf Baukosten und Quadratmeterpreise achten muss, sollte hier verschiedene Varianten vergleichen.

Was man sich durch einen offenen Wohnraum und ein offenes Treppenhaus natürlich spart, sind die Kosten für Innenwände und Türen. Dieser finanzielle Vorteil schwindet jedoch, wenn bei offener Bauweise manche Bauteile aufwendiger gefertigt werden müssen – zum Beispiel, weil bei Treppen die Unterseiten zu sehen sind und ansprechend gestaltet werden müssen.

Blick vom Podest in der Mitte der Treppe nach oben und unten. Hier wird deutlich, dass die Verbindung zwischen Erdgeschoss und Obergeschoss zwar offen, aber nicht komplett einsehbar gestaltet wurde.
Nur wenn man auf dem Podest der Treppe steht, hat man Wohnraum und Obergeschoss gleichzeitig im Blick. Von oben nach ganz unten oder andersherum gibt es keine Blickachse. Foto: Michael Heinrich

Es gibt natürlich auch viele verschiedene Arten, offene Bauweisen umzusetzen, und jede hat ihre Kostenpunkte und Einsparungen. Ob man – wie ich – die offene Treppe nur dadurch definiert, dass sie mitten im Wohnraum beginnt und die Etagen nicht durch Türen trennt, oder ob man darunter eine sich im Raum aufschwingende, quasi skulpturale Treppe versteht, wirkt sich unterschiedlich stark auf die Kosten aus.

Und wie sieht es aus architektonischer Sicht aus?

Wer offene Wohnräume zulässt, ermöglicht dem Architekten natürlich eine andere Herangehensweise – man denke nur mal an die vielfältigen Blickachsen, die möglich sind, wenn es in einem Haus nur wenige Wände gibt. Manche Gestaltungsideen sind nur umsetzbar, wenn möglichst offen geplant wird – beispielsweise Galerien und Wohnräume, die über zwei Geschosse reichen. Viel Licht, ein weitläufiges Wohngefühl und eine großzügige Atmosphäre zählen zu den Vorteilen einer offenen Bauweise.

Welche Alternativen gibt es?

Wenn Räume fließend ineinander übergehen sollen, man sich aber nicht für alle Zeiten auf eine offene Raumgestaltung festlegen möchte, sind Schiebetüren, die in der Wand verschwinden, eine großartige Lösung. Ich habe zwischen Wohnraum und Arbeitszimmer eine Schiebetür, die fast nie zu sehen ist. Ich persönlich liebe nämlich den Blick vom Wohnraum in das Arbeitszimmer sehr. Allerdings gibt es auch Situationen, in denen eine Trennung vorteilhaft ist: Ist Besuch mit Kleinkindern angesagt, verschwinden zerbrechliche Sachen und die Bürotechnik mit ihren verführerischen Knöpfen und Schaltern sicher hinter der Schiebetür im Arbeitszimmer.

Entscheidungshilfen

Apropos Kinder: Ein entscheidende Frage bei der offenen Gestaltung von Wohnräumen und Treppen lautet: Wer wird das Haus bewohnen? Gibt es kleine Kinder, die vielleicht nur dann gut schlafen, wenn die Geräusche vom Fernseher im Wohnzimmer nicht ungehindert bis zur Kinderzimmertür dringen? Wäre es nicht gut, den zweifelhaften Musikgeschmack der Teenagersöhne und -töchter ausblenden zu können, indem man einfach eine Tür zwischen Wohnetage und Schlafetage schließt? Ist der Arbeitsplatz auf der offenen Galerie immer noch so einladend, wenn in den Ferien die Kinder daheim sind und von der Arbeit ablenken? Wie viel Ruhe jeder braucht, ist sehr individuell und kann auch in verschiedenen Lebensabschnitten sehr unterschiedlich sein.

Hier sollte jeder schon in der Planungsphase ehrlich zu sich selbst sein und seine Wünsche definieren. Ich wollte zum Beispiel einen Bereich keinesfalls mit in den offenen Wohnraum integrieren: die Küche. Obwohl man das oft sieht und viele eine offene Küche gemütlich finden, fand ich diese Gedanken unerträglich: Essensgerüche, die sich frei entfalten, und der unvermeidbare Anblick dreckigen Geschirrs und vollgestellter Arbeitsflächen. Dafür konnte ich mir immer gut vorstellen, den Fernseher aus dem Wohnzimmer zu verbannen und somit den offenen Wohnraum frei von TV-Geräuschen zu halten. Aber darüber habe ich ja bereits in Teil 4 geschrieben.

Hier geht es zu den weiteren Teilen der Serie „Das kannst du doch nicht machen!“:

Teil 1: Bauen ohne Keller

Teil 2: Bauen am Nordhang

Teil 3: Bauen ohne Rollläden

Teil 4: Bauen ohne Wohnzimmer

Teil 5: Ein Holzhaus bauen

Teil 6: Ohne Zaun wohnen