Mehr Quadratmeter bedeutet nicht gleich mehr Platz, mehr Freiraum oder schöneres Wohnen. Viele architektonisch interessante Häuser sind sogar eher klein. Das hat Vorteile: Kleine Häuser passen auf schwierige Restparzellen oder in Baulücken. Sie sind oft günstiger in Herstellung, Unterhalt und Energieverbrauch.
Wer klein baut, muss sich genau überlegen, wie er wohnen möchte und auf was er verzichten kann. „Wenn der Raum knapp ist, kommt es ganz besonders auf kluge Planung und kreative Konzepte an“, meint Bettina Hintze, Autorin des Buches „Kleine Häuser, große Wohnarchitektur“ (ISBN 978-3-421-03933-0).
In dem Bildband von DVA werden 20 Projekte vorgestellt, die beim Wettbewerb „Häuser-Award 2014“ besonders gut abgeschnitten haben. Das Buch gibt mit Hunderten Fotos, Plänen und Grundrissen sowie allen relevanten Baudaten einen ausführlichen Überblick über die Projekte und ist eine ideale Inspirationsquelle für Bauherren und Architekten. Mehr als hundert Projekte wurden für den Wettbewerb eingereicht, der vom Magazin „Häuser“ zusammen mit dem Bund Deutscher Architekten (BDA), dem Informationszentrum Beton, dem Verband Privater Bauherren e.V. (VPB) und der Deutschen Verlags-Anstalt (DVA) durchgeführt wurde.
Den ersten Preis hat das „Stripe House“ im niederländischen Leiden gewonnen. Es ist zwar nicht mein Favorit, fasziniert mich aber wegen seines luftigen Inneren. Auf einem nur 95 Quadratmeter großen Grundstück haben die Hausherren, zwei Architekten des Büros Gaaga Studio for Architecture ganze 160 Quadratmeter Nutzfläche herausgeholt. Und dabei haben sie sogar noch großzügige Freiräume gewonnen. Ein sichtgeschützter Innenhof nimmt zum Beispiel einen kleinen Teil der 95 Quadratmeter ein. Und im Innenraum des schlichten würfelförmigen Baus wurde die Decke vom ersten ins zweite Obergeschoss nicht durchgezogen – so entstand ein Luftraum, fünfeinhalb Meter kann man von der Küche frei nach oben blicken. Wie haben die Architekten es geschafft, diese Freiräume auf kleinstem Raum unterzubringen? Indem sie die Verkehrsflächen minimiert haben – keine breiten Flure, keine repräsentativen Treppen, keine Abstellräume, dafür klug geplante Einbaumöbel.
Auch den dritten Platz finde ich persönlich spannend: Das Haus in London ist nur 2,30 Meter breit – so breit wie ein Autostellplatz. Dafür ist das Grundstück 32 Meter tief. Der Altbau, den sich die Architekten vom Büro Alma-nac vornahmen, war ein langer, düsterer Schlauch. Jetzt wohnt eine vierköpfige Familie in dem renovierten Stadthaus – Oberlichter und durchgehende Sichtachsen sorgen für ein großzügigeres Raumgefühl, auch wenn der Umbau nichts daran ändern konnte, das rechts und links der 2,30 Meter die Nachbarshäuser andocken.
Am meisten begeistert mich ein Projekt in der Nähe von Hamburg: Architekt Christian Stolz hat auf einem schmalen, langgestreckten Grundstück zwei einfach Satteldachhäuschen hintereinander angeordnet. Das vordere Holzhaus enthält Schlaf- und Kinderzimmer und schirmt die weiteren Bereiche von der Straße ab. Ein Gang, in den auch die Haustür integriert ist, verbindet das „Schlafhaus“ mit dem Wohn-, Koch- und Essbereich im kleineren der beiden Häuschen. Somit ist zum einen der Wohnbereich uneinsehbar, zum anderen bildet der Raum zwischen den beiden Häuschen und dem Verbindungsgang eine auf drei Seiten abgeschirmte Terrasse. Von diesem Haus gibt es leider kein Pressefoto, aber es ist auf den Internetseiten von „Schöner wohnen“ zu sehen. Wer sich auch die anderen Projekte ansehen möchte, findet sie ebenfalls bei „Schöner wohnen“.