Architektouren 2015: Von der Scheune bis zum Ufo

Willkommen im alten Stadthaus, das so frisch saniert ist, dass sogar das Treppenhaus richtig erstrahlt.

Willkommen im alten Stadthaus, das so frisch saniert ist, dass sogar das Treppenhaus richtig erstrahlt. Foto: Karin Polz

Wenn man innerhalb von zwei Tagen einen modernen Anbau an einen alten Bauernhof, ein renoviertes Stadthaus, ein Praxisgebäude im Bungalowstil und eine profanisierte Kirche besichtigen kann, dann sind wieder Architektouren. Heuer waren die Projekte in und um Passau besonders vielfältig.

Typisch für Passau ist wohl das Stadthaus in der Großen Messergasse 8, das von Architekt Klaus Meyer saniert wurde. Irgendwie ist alles ein bisschen verschachtelt, die breite Steintreppe führt von Etage zu Etage an immer wieder anders geformten prächtigen Fenstern und Türen vorbei. Oben sieht man: Da ist mal irgendwas zusammengewachsen, heute ist dort innen, wo früher mal ein Fenster war. Beeindruckend, wie die neu renovierten Wohnungen mit uralten Holzdielen, stuckverzierten Decken und alten Türen, teils noch mit Kastenschlössern, Charme und Gemütlichkeit ausstrahlen.

Ganz im Gegensatz dazu steht ein Beispiel, wie man heute auf kleiner Fläche zeitgemäß baut. „Das kleine Haus“ in Grubweg vom Architekturbüro Schildhammer hat nur 118 Quadratmeter Nutzfläche, ist aber dennoch vollwertig und vorzeigbar. Graue Vorhänge in Filzoptik teilen die Räume auf, nirgends wird auch nur ein Quadratzentimeter verschenkt. Besonders gemütlich: ein tiefes Fenster im Essbereich, auf dessen Fensterbank man bequem sitzen kann.

Blickfang im sanierten Stadthaus: die schwarze Tür im weißen Treppenhaus.

Blickfang im sanierten Stadthaus: die schwarze Tür im weißen Treppenhaus. Foto: Karin Polz

Ganz anders und für mich das beeindruckendste Projekt in diesem Jahr ist der Schneiderhof Germannsdorf, für den es sich wirklich gelohnt hat, diesmal bei den Architektouren auch eine Fahrt in die Gemeinde Hauzenberg einzuplanen. Architekt Stefan Hiendl und die sympathische Baufamilie haben durchs Haus geführt, alle Fragen beantwortet und sogar noch Kaffee und Kuchen bereitgehalten. Eine Scheune wurde auf dem Hof abgerissen, ein moderner Anbau für die Familie stattdessen erstellt. Mit viel Holz wirkt er innen wie außen traditionell und zugleich modern. Innen beeindrucken im ersten Stock die teils hohen Decken und Sichtbeziehungen zwischen Küche, Wohn- und Essraum. Die Ausblicke durch die großen Fenster sind wohl einmalig. Und besonders gerne hätte ich auch so eine Terrasse beziehungweise Balkon: groß, gemütlich und mit perfekter Aussicht. Besonders schön war zu sehen, dass die Bauherren immer das Budget im Auge behalten konnten, aber dennoch an Stil und Optik nicht gespart haben.

„Haus K“, ein Praxisgebäude für Naturheilkunde von Schmid Architekten Passau, hebt sich im Gegensatz dazu ganz von traditionellen Häusern ab: Wie ein Ufo steht der eingeschossige Bau mit Flachdach im Garten des dazugehörigen Wohnhauses. Drei Seiten des Gebäudes sind verglast, ein Vorhang bietet Sicht- und Sonnenschutz. Innen ist alles weiß und dennoch nicht steril. Da hat sich jemand getraut, mal was ganz anderes zu bauen – etwas sehr Stilvolles, würde ich sagen. Architekt Christopher Schmid konnte mich schon vor zwei Jahren mit dem „Haus Z“ begeistern, darum wollte ich mir dieses Projekt unbedingt ansehen.

Die Glasfenster in der Heiliggeist-Kirche wurden bei der Renovierung wieder eingesetzt

Die Glasfenster in der Heiliggeist-Kirche wurden bei der Renovierung wieder eingesetzt. Foto: Hendrik Schwartz

Um die Vielfalt der Architektouren 2015 zu erfahren, lohnte sich auch ein Besuch der profanisierten Heiliggeist-Kirche in Passau. Das Architekturbüro Paukner, schon in den vergangenen Jahren mit bedeutenden alten Gebäuden wie dem Niederhaus bei den Architektouren vertreten, hat hier ganze Arbeit geleistet. Und Norbert Paukner konnte viel Interessantes darüber erzählen, so dass ihm die Aufmerksamkeit der Besucher gewiss war.

Raum für Vergangenheit und Gegenwart

Besprechungen werden bei Heininger-Ingenieure in der Holzbox abgehalten − bei guter Akustik.

Besprechungen werden bei Heininger-Ingenieure in der Holzbox abgehalten − bei guter Akustik. Foto: Tina Weber

Wenn ein Haus mit 800-jähriger Geschichte und ein modernes Büro aufeinandertreffen, dann ergibt sich eine spannende Mischung. Und im Fall von Heininger-Ingenieure eine äußerst gelungene und stilvolle noch dazu. Am Samstag, 27. Juni, von 11 bis 12.30 Uhr, können sich alle Interessierten selbst davon überzeugen: Im Rahmen der „Architektouren“ der Bayerischen Architektenkammer kann das Büro im denkmalgeschützten Altstadthaus in der Schrottgasse 8 in Passau besucht werden. Dann wird auch Innenarchitektin Stephanie Ach da sein, um den Besuchern die Räume zu zeigen.

Im Hauptraum mit den Arbeitsplätzen beeindruckt die jahrhundertealte Holzdecke.

Im Hauptraum mit den Arbeitsplätzen beeindruckt die jahrhundertealte massive Holzdecke. Foto: Tina Weber

„Die Räumlichkeiten an sich sind schon besonders“, erklärt die Innenarchitektin die Ausgangslage. Mit Bauherrn Karl-Heinz Heininger war sie sich einig, dass die Geschichte des Altstadthauses auch künftig präsent bleiben soll.

Überall in dem Altstadthaus, das zwischen 2009 und 2011 unter Federführung des Architekturbüros Andreas Schmöller saniert wurde, − Karl-Heinz Heininger war dabei für die Statik zuständig − sind Bezüge zur Historie des Hauses sichtbar. Eindrucksvoll ist die Holzdecke im jetzigen Arbeitsbereich: Sie hat den zweiten großen Stadtbrand in Passau im Jahr 1680 überstanden und ist damit etwas ganz Besonderes − „daher wollte ich zur Decke einen Respektabstand halten“, sagt Karl-Heinz Heininger. So wurden anstelle von Schränken die Schreibtische breit und tief genug geplant, um Stauraum auf der Rückseite zu bieten.

Im Büro von Karl-Heinz Heininger wurde an der Wand ein Fenster aus romanischer Zeit freigelegt.

Im Büro von Karl-Heinz Heininger wurde an der Wand ein Fenster aus romanischer Zeit freigelegt. Foto: Tina Weber

Vom Bauwesen und dem Handwerk vergangener Zeiten erzählen nicht nur das Fenster aus romanischer Zeit, das an einer Wand freigelegt wurde, und die Deckenmalerei im Archivraum. Auch das Gewölbe im Eingangsbereich ist historisch interessant − und war gestalterisch eine Herausforderung. Ein Besprechungsraum sollte hier entstehen, doch Einteilung und Schallentwicklung waren nicht ganz einfach. So entwarf Stephanie Ach eine „Besprechungsbox“, die frei im Raum steht. Im Inneren mit Filz ausgekleidet, sorgt sie für gute Akustik.

Dieser Text ist auch in der Passauer Neuen Presse vom 27. Juni 2015 erschienen.